Generalist, Scanner, Multipotentialite, Polymath… Diese Begriffe tauchen in Diskussionen über vielseitig interessierte Menschen immer wieder auf. Doch was genau bedeuten sie? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Definitionen und Abgrenzungen dieser Konzepte, ihre historischen Wurzeln und Gemeinsamkeiten.
Multipotentialite – Mehr als nur viele Interessen
Der Begriff Multipotentialite (abgekürzt „Multipod“, engl. für „mehrere Potentiale haben“) wurde von Emilie Wapnick geprägt und beschreibt Menschen, die zahlreiche Interessen und Begabungen haben. Im TEDx-Vortrag „Why some of us don’t have one true calling“ spricht Emilie darüber, dass es Menschen gibt, die sich nicht auf einen einzigen Beruf oder ein einziges Lebensziel festlegen können – oder wollen.
Multipotentialites sind oft besonders gut darin, Wissen aus verschiedenen Bereichen zu kombinieren und daraus kreative Lösungen zu entwickeln. Sie lernen schnell, da sie immer wieder mit neuen Themen in Berührung kommen, und sie passen sich leicht an neue Umgebungen an, weil sie es gewohnt sind, flexibel mit Veränderungen umzugehen. Gerade in einer sich schnell wandelnden Welt sind diese Fähigkeiten wertvoll – ob in interdisziplinären Berufen oder im Unternehmertum.
Scanner-Persönlichkeit – Die Freude am ständigen Neuentdecken
Der Begriff Scanner-Persönlichkeit wurde von der Autorin Barbara Sher in ihrem Buch „Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste, was ich will“ geprägt. Während Multipotentialites oft darauf aus sind, ihre Interessen miteinander zu verbinden, liegt der Fokus von Scannern eher auf dem Entdecken. Sie haben einen unstillbaren Wissensdurst und eine Neugier, die sie von einem Thema zum nächsten springen lässt.

Barbara Sher unterscheidet dabei verschiedene Scanner-Typen. Es gibt Scanner, die immer wieder zu bestimmten Themen zurückkehren (zyklische Scanner), weil sie sich langfristig für mehrere Dinge begeistern. Andere tauchen in ein Thema intensiv ein, bis sie das Gefühl haben, genug darüber zu wissen – dann zieht sie das nächste große Thema in ihren Bann (serielle Scanner).
Für Scanner, so Barbara Sher, besteht das Universum aus tausend Kunstwerken, und ein einziges Leben ist viel zu kurz, um sie alle kennen zu lernen. Scanner lieben das Neue und sind keineswegs unentschlossen. Sie sind flexiblel, lernen schnell und interessieren sich für alles, was sie noch nicht verstanden haben.
Generalist – Der Vermittler zwischen Disziplinen
Der Begriff Generalist ist eigentlich als Gegenpol zum Spezialisten entstanden. Während Spezialist*innen tiefes Wissen in einem bestimmten Bereich aufbauen, besitzen Generalist*innen breites Wissen in mehreren Feldern. Diese Vielseitigkeit ermöglicht es ihnen, Zusammenhänge zu erkennen und als Vermittler zwischen unterschiedlichen Disziplinen zu fungieren.
Ein klassisches Beispiel ist das Wirtschaftsingenieurwesen. Wirtschaftsingenieur*innen bewegen sich zwischen der technischen Welt der Ingenieur*innen und der wirtschaftlichen Welt der Kaufleute. Sie haben ein solides technisches Verständnis, aber auch betriebswirtschaftliches Know-how – eine Kombination, die besonders in Schnittstellenberufen gefragt ist.
Generalist*innen sind in vielen Bereichen wertvoll, in denen ein übergreifendes Verständnis notwendig ist. Sie eignen sich besonders für Berufe im Projektmanagement, in der Beratung oder im Unternehmertum, wo interdisziplinäres Wissen ein Vorteil ist. Doch auch sie kämpfen mit einem hartnäckigen Vorurteil: Das Sprichwort „Jack of all trades, master of none“ suggeriert, dass Generalist*innen zwar vieles können, aber in nichts wirklich herausragend sind. Dabei wird oft vergessen, dass es noch eine zweite Hälfte dieses Sprichworts gibt: „…but oftentimes better than master of one“ – also dass Vielseitigkeit in vielen Fällen wertvoller ist als das tiefe Wissen in nur einem Bereich.
Polymath – Meister mehrerer Disziplinen
Das Konzept des Polymaths lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, aber der Begriff selbst wurde erst im frühen 17. Jahrhundert geprägt. Er bezeichnet eine Person, die in mehreren Disziplinen tiefgehende Expertise erlangt und nicht nur breites Wissen besitzt, sondern in mehreren Bereichen Exzellenz erreicht. Während Generalisten interdisziplinäres Wissen nutzen, um Verbindungen zwischen verschiedenen Feldern herzustellen, zeichnen sich Polymaths dadurch aus, dass sie in mehreren dieser Felder Expertenstatus erreichen.

Historische Polymaths wie Leonardo da Vinci und Michelangelo waren nicht nur Künstler, sondern auch Wissenschaftler und Erfinder. Ihr Wissen war nicht oberflächlich – sie beherrschten mehrere Disziplinen auf höchstem Niveau. Michelangelo beispielsweise war neben seiner Kunst auch in Architektur und Dichtung bewandert.
Auch in der Neuzeit gibt es noch Polymaths. Benjamin Franklin war nicht nur Politiker, sondern auch Erfinder, Schriftsteller und Wissenschaftler. Mayim Bialik ist ein weiteres Beispiel: Bekannt als Schauspielerin durch The Big Bang Theory, ist sie zugleich promovierte Neurowissenschaftlerin und Autorin. Sie verbindet ihre wissenschaftliche Expertise mit ihrer Tätigkeit in der Unterhaltungsbranche und engagiert sich für Bildung und Wissenschaftskommunikation.
Renaissance-Person
Der Begriff „Renaissance-Person“ oder „Renaissance-Mensch“ bezieht sich auf Individuen, die in verschiedenen Wissensgebieten bewandert sind und vielseitige Fähigkeiten besitzen.
Der Begriff leitet sich von der Renaissance-Epoche ab, einer Zeit des „Wiedererwachens“ von Kunst, Wissenschaft und Kultur im Europa des 14. bis 17. Jahrhunderts. In dieser Periode wurde der Idealtyp des „uomo universale“ (Universalgelehrten) gefeiert, der bestrebt war, sein Wissen und seine Fähigkeiten in möglichst vielen Bereichen zu erweitern.

Im Gegensatz zu Multipotentialites und Scannern, zeichnet sich eine Renaissance-Person durch das Streben nach umfassender Bildung und Meisterschaft in mehreren Disziplinen aus. Während Multipotentialites und Scanner oft breite, aber möglicherweise weniger tiefe Kenntnisse in vielen Bereichen haben, zielt die Renaissance-Person darauf ab, in mehreren Feldern tiefes Wissen und Können zu erlangen, also sehr ähnlich zu Polymaths. Der Hauptunterschied ist, dass sich der Begriff Renaissance-Mensch speziell auf das Idealbild des „uomo universale“ in der Renaissance-Epoche bezieht.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Was all diese Begriffe eint, ist die Vielseitigkeit der Menschen, die sich mit ihnen identifizieren. Multipotentialites, Scanner, Generalisten und Polymaths sind in der Regel äußerst lernfähig, kreativ und anpassungsfähig. Sie haben die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszudenken und interdisziplinäre Verknüpfungen zu schaffen.
Doch sie unterscheiden sich auch in ihrem Umgang mit Wissen und Interessen. Während Scanner oft von Thema zu Thema springen und das Neue lieben, kombinieren Multipotentialites verschiedene Interessen zu etwas Eigenem. Generalisten bewegen sich zwischen Disziplinen, ohne zwangsläufig in allen tiefgehende Expertise zu entwickeln, während Polymaths und Renaissance-Menschen in mehreren Bereichen ein herausragende Meisterschaft erreichen.
Fazit
Auf meinem Portal verwende ich diese Begriffe oft austauschbar, weil sie sich stark überschneiden. Letztlich geht es nicht darum, sich in eine Schublade stecken zu lassen, sondern darum, die eigenen Stärken zu erkennen und zu nutzen.

Ob du dich als Scanner, Multipotentialite, Generalist, Polymath oder Renaissance-Person siehst – du bringst Fähigkeiten mit, die in einer immer komplexeren Welt zunehmend an Wert gewinnen, aber hast mit entsprechenden Herausforderungen zu kämpfen. Dafür findest du hier in Zukunft Unterstützung und Tipps in einer wachsenden Gemeinschaft von Gleichgesinnten.
Unsere Gesellschaft ist nach wie vor stark auf Spezialisierung ausgerichtet, doch es gibt immer mehr Räume, in denen Vielseitigkeit gefragt ist. Unser Ziel ist es, diese Räume sichtbarer zu machen und Menschen dabei zu helfen, ihre Vielfalt als Stärke zu begreifen. Welches Label du dir gibst oder ob du dich gar keinem dieser Begriffe zuordnest, bleibt dir überlassen – wichtig ist, dass du deinen eigenen Weg findest.
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